Unsere Forschung hat einen direkten klinischen Nutzen und zielt auf die bestmögliche Prävention und Kontrolle nosokomialer Infektionen in der Universitätsklinik Münster und darüber hinaus. Darum sind unsere Fragestellungen klinisch orientiert. Notwendige Fragestellungen zur Aufklärung und zukünftigen Vermeidung von Krankenhausinfektionen sind beispielsweise
- die Reservoire für Erreger von nosokomialen Infektionen
- die Evolutionsstrategien nosokomialer Erreger
- die Patho- und Transmissionspotenz von nosokomialen Erregern
- Erreger- und klonspezifische Präventionsmaßnahmen.
Die dafür eingesetzten Methoden sind unter anderem die Gesamtgenomsequenzierung und die
Massenspektrometrie. Innovative Methodenweiterentwicklungen auf dem Gebiet der Gesamtgenomsequenzierungen und der Massenspektrometrie (MS) haben dazu beigetragen, krankenhaushygienische Fragestellungen in bislang unerreichter Genauigkeit und Geschwindigkeit in Zukunft beantworten zu können.
Dies sind die beiden Säulen der zukünftigen Diagnostik von nosokomialen Erregern, wobei das Potential der MS-basierten Erregertypisierung bei weitem noch nicht ausgeschöpft ist. Insbesondere die MALDI-MS eröffnet völlig neue Ansätze für die Aufklärung von Infektionsketten!
Die sequenzbasierte Subtypisierung nosokomialer Bakterienstämme und die Entwicklung von bioinformatischen Lösungen zur automatisierten Auswertung von Sequenzdaten erlauben eine extrem hohe Zielgenauigkeit bei der Identifizierung von Reservoiren. Somit sind wir auf dem besten Weg und werden eine neue Dimension der Erregercharakterisierung erreichen, die weit über eine reine Speziesidentifizierung und Erstellung von Resistogrammen hinausgeht!
1. Reservoire für Erreger von nosokomialen Infektionen
a) Endogenes Reservoir
Für manche Erreger existieren Daten, die nahelegen, dass endogene Quellen (besiedelte Patienten) die häufigste Ursache für nosokomiale Infektionen darstellen (z. B. MRSA/S. aureus und postoperative Wundinfektionen). Für andere Erreger ist darüber wenig bekannt (z. B. Bedeutung nasaler oder pharyngealer Besiedlung durch E. coli oder andere Enterobakterien, Pseudomonaden für Pneumonie, Wundinfektion, Katheter-assoziierte-Harnwegsinfektionen).
b) Exogenes, abiotisches Reservoir
Erreger nosokomialer Infektionen werden oft in Patientenumgebung im Krankenhaus gefunden (Krankenhausbetten, Oberflächen von Gerätschaften, etc.). Hygienemaßnahmen zielen auf eine Dekontamination/Desinfektion dieser Bereiche ab. Der Einfluss dieser Reservoire auf das Auftreten nosokomialer Infektionen ist jedoch bislang noch nicht durch prospektive Studien untersucht worden. Durch unsere in bestimmten Bereichen flächendeckende routinemäßige Umgebungsuntersuchungen lassen sich auch im Nachhinein Rückschlüsse auf mögliche exogene Reservoire und Übertragungen ziehen.
c) Zoonotisches Reservoir
Die Rolle von Tieren bei der Verbreitung nosokomialer Erreger ist bislang noch völlig unzureichend untersucht.
2. Aufklärung von Evolutionsstrategien nosokomialer Erreger
Welche klinischen und krankenhaushygienischen Konsequenzen haben evolutive Veränderungen von nosokomialen Erregern zur Folge? Welche Veränderungen sind mit einer erhöhten Virulenz oder Transmissionswahrscheinlichkeit assoziiert? Wie verändern sich nosokomiale Pathogene unter laufender Therapie im Wirt Mensch und in seiner Umgebung? Bieten die bisherigen krankenhaushygienischen Maßnahmen einen ausreichenden Schutz?
Es ist nicht bekannt, wie sich nosokomiale Pathogene beispielsweise unter laufender Therapie im Patienten oder in seiner Umgebung im Krankenhaus verändern und wie schnell sie sich vermehren. Erkenntnisse, die für bestimmte Spezies gewonnen wurden (z. B. nosokomiale E. coli), sind nicht auf andere Enterobakterien (wie z. B. Klebsiella oder Enterobacter) übertragbar. Eine Adaptation nosokomialer Erreger kann einerseits durch Veränderungen der Genomstruktur und andererseits durch Modulation der Genexpression erfolgen. Genomveränderungen, wie z.B. Punktmutationen und Deletionen, müssen zeitabhängig auf Genomebene und im Expressionsmuster einzelner Gene untersucht werden. Das Gleiche gilt für einen horizontalen Gentransfer, durch den Virulenz- und Resistenzgene schnelle Genomveränderungen herbeiführen können und damit maßgeblich zu einer beschleunigten Evolution von nosokomialen Pathogenen beitragen. Schnell ablaufende Vorgänge werden unter dem Begriff Mikroevolution zusammengefasst, die sich nach wenigen Generationen zu erkennen geben.
3. Patho- und Transmissionspotenz von nosokomialen Erregern
Haben Erreger derselben Spezies dieselbe Potenz, nosokomiale Infektionen auszulösen? Gibt es Marker, die auf eine geringere Pathopotenz hinweisen und folglich ein abgestuftes Hygienemanagement oder Therapiemanagement erlauben? Wie ist die Übertragungsfrequenz/Wahrscheinlichkeit für verschiedenen nosokomiale Erreger?
Laut RKI-Empfehlung zu MRGN weisen verschiedene Erregerspezies unterschiedliche Pathopotenzen auf und werden deshalb hinsichtlich ihrer Risikoabschätzung differenziert behandelt. So werden beispielsweise K. pneumoniae als pathogener im Vergleich zu anderen Enterobacteriaceae-Spezies eingestuft. Hier besteht ein sehr hoher Forschungsbedarf, um vor dem Hintergrund der nationalen epidemiologischen Lage fundierte Handlungsempfehlungen geben zu können. Zudem stellt sich die Frage, ob es bestimmet Erreger/Erregerklone gibt, die sich besonders erfolgreich im Krankenhaus ausbreiten können (Transmissionspotenz). Da neben den Erregern auch der Wirt bzw. Wirtseigenschaften in Betracht gezogen werden müssen, müssen derartige Studien in unterschiedlichen Patientenkollektiven durchgeführt werden.
Welche krankenhaushygienische Bedeutung haben Nachweise von Erregern in der Umwelt? Dies betrifft Erreger, die wir nur sporadisch oder gar nicht bei Infektionen wiederfinden, die aber auch zur Gruppe der möglichen nosokomialen Erreger zählen, z. B. Panthoea spp. oder sensible, nicht-VRE, Enterokokken.
4. Erreger- und Klon-spezifische Präventionsmaßnahmen
Sind die in der Vergangenheit durchgeführten Präventionsmaßnahmen überhaupt wirksam und notwendig oder ist ein differenzierteres Vorgehen erforderlich? Abgeleitet aus Punkt 3 (Patho- und Transmissionspotenz): ist es sinnvoll, Präventionsmaßnahmen nicht anhand der Spezies oder des Resistogramms, sondern anhand anderer Patho- oder Transmissionswahrscheinlichkeitsmarker auszurichten (z. B. Frage der Einzelzimmerunterbringung für 3-fach und mehrfach- bzw. multiresistente MRGN)?
Arbeitsgruppen
Die Arbeitsgruppen der WAK-Mentoren Univ.-Prof. Dr. Mellmann und Prof. Dr. Kampmeier beschäftigen sich schwerpunktmäßig mit der Entwicklung neuer Strategien zur Verbesserung der Krankenhaushygiene (AG Professor Dr. med. Stefanie Kampmeier), der Entwicklung und Anwendung neuer Typisierungsverfahren für humanpathogene (nosokomiale) Krankheitserreger (AG Prof. Dr. Mellmann) und der Bedeutung von Tieren für das Auftreten Antibiotika-resistenter Erreger beim Menschen.